Verdunstung des Neusiedlersee Schilfgürtels verringern.
Autor: Ing. Herbert Siegmund, Podersdorf, Juni 2023
Verschiedene Verdunstungs- Studien über Schilf sprechen von einer sehr hohen Verdunstungsleistung von common reed (Phragmites australis). https://de.wikipedia.org/wiki/Schilfrohr
https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0925857410001400
http://www.gewaesserschutz-vietinghoff.de/medien/verd1.pdf
https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0043135412005477
Schilfrohr wird auch für beabsichtigtes Verdunsten von Wasser verwendet:
http://www.roofwaterfarm.com/kompakt/technologie/1533-2/messprogramm-regenwasser-block-6/
https://www.transpirant-bottrop.de/index.php/funktionsweise-der-anlage
Der k-Faktor, dem Verhältnis Evapotranspiration (ET oder Verdunstung) der Schilffläche zu Evaporation offene Wasserfläche kann weit gestreute Werte annehmen.
1:1 bei z.B. kalten Temperaturen
2,5:1 Bei den roofwaterfarm Versuchen, siehe oben
7:1 unter mediterranen Versuchsbedingungen (hohe Temperaturen, mögliche Inseleffekte)
Der Schilfgürtel kann v.a. in heißen Jahren enorm viel Wasser verdunsten !
Für den Neusiedlersee gibt es einige wenige punktuelle Verdunstungsstudien, meist aus den 70er und 80er Jahren. Wichtige Details über die Verdunstung des Neusiedlersee Schilfgürtels sind nicht bekannt. Gute Erkenntnisse liefern Studien von vergleichbaren Seen in anderen Ländern. Diese können Grundlage für das Erstellen eines Verdunstungsmanagements sein:
Grafik: Übersicht Schilfbereiche, Wasserfläche Neusiedlersee
Fast alle Verdunstungsstudien über Schilf beschreiben das Verhältnis ET (Evapotranspiration =Verdunstung) der Fläche B zu A. (Schilf im Wasser stehend zu offener Wasserfläche). Dieses Verhältnis ist für den Neusiedlersee aber gar nicht sonderlich bedeutend. Es gibt bei niedrigem Wasserstand (114.8 -115.2müA) nur wenige B-Flächen. Diese sind aber wichtig für den Fischbestand, d.h. umwandeln in offene Wasserflächen (A) wäre nicht zielführend.
Am Neusiedlersee gibt es bei niedrigem Wasserstand sehr große C und D Flächen, D.h. Schilf, das im Grundwasser des Sees steht, aber oberflächlich trocken ist. C-Flächen werden bei Wind überflutet. Über die ET dieser C+D Flächen fand ich keine Studien, man kann nur versuchen diese durch Überlegungen grob abzuschätzen: Schilf nimmt Wasser durch das Rhizomgeflecht auf, es ist also entscheidend, wie gut die Rhizome mit Wasser versorgt sind und wie verzweigt das Geflecht ist. Ob die Halme selbst im Wasser stehen, dürfte weniger Einfluss haben. C-Flächen, die oft überflutet werden dürften ähnliche ET Raten aufweisen, wie B-Flächen. Bei den D-Flächen hängt die ET mit der Versorgung durch Grundwasser ab. Dieses Grundwasser ist natürlich kein separater Grundwasserkörper, sondern er speist sich aus dem Seewasser. Weiter darunter erst, ist die dichte Wanne des Sees.
Dieses Foto zeigt ein Beispiel, wo das Grundwasser =Seewasser sehr seicht unter der Oberfläche ist, obwohl die offene Wasserfläche 1,5 Kilometer entfernt ist. Fotografiert am 1.2.2023 bei Neusiedl, Wasserstand des Sees 115,01müA,
Bei den C+D Flächen dürfte es sehr hohes Potential geben, Verdunstung zu verringern. Es sind ausgedehnte Flächen vorhanden. Durch Trennen der Kapillare (Halme) würde die Transpiration gestoppt, eine Teilmenge des Schnittgutes als Bodenabdeckung würde den Boden vor Austrocknung schützen. Die ET einer solchen Fläche könnte deutlich unter der ET der offenen Wasserfläche liegen.
Verdunstung des Neusiedlersees durch Schilfreduktion verringern:
Es gibt nur eine einzige Studie aus 1983, die Schilfmanagement und Verdunstung des Neusiedlersees gemeinsam betrachtet: von Univ. Doz. Dr. H. Dobesch (Evapotranspiration grüngeschnittenen Schilfes)
Zusammenfassend sagt Herr Dobesch, dass Schilf, das in grünem Zustand geschnitten wurde und rasch wieder nachwächst sehr schnell wieder ähnlich viel verdunstet wie vorher.
Das ist nachvollziehbar, weil Pflanzen für das Wachstum und für die Photosynthese Wasser benötigen. Sobald die Bewuchshöhe und Dichte der ursprünglichen Fläche gleicht ist die Verdunstung mindestens genau so hoch.
Keinesfalls darf man den Fehler begehen und aus den punktuellen Erkenntnissen der Dobesch Studie extrapolieren, dass Schilfreduktion generell die Wasserbilanz nicht beeinflusst. Herr Dobesch weist darauf hin, dass die Erkenntnis nur für die Bedingungen seines Versuchs gilt!
Viel eher stimmt die Aussage: Schilf schneiden, das schnell wieder nachwächst ändert wenig an der Verdunstung. Erst wenn das Nachwachsen gebremst, d.h. die Rhizome reduziert werden ergibt sich ein positiver Effekt auf die Wasserbilanz.
Unlängst wurden zwar Studien finanziert, wie man nachhaltigen Schilfschnitt durchführt, um die Rhizome maximal zu schützen. Die Verdunstungsleistung von Schilf, die Bedeutung für die Wasserbilanz und der See in seiner Gesamtheit wurden dabei nicht beachtet.
Ein dringendes Umdenken ist hier erforderlich.
Schilf ist keine vom Aussterben bedrohte Pflanze. Falsch verstandener Naturschutz darf nicht die Natur zerstören.
Um die enorme Verdunstung von Schilf zu reduzieren und den Neusiedlersee fit für die heißen Jahre des Klimawandels zu machen, muss unbedingt das Rhizomgeflecht reduziert werden.
Das Reduzieren des Schilfbestandes wäre eine wichtige Renaturierung.
Der Schilfbestand war früher viel geringer, vielleicht 1/3 oder weniger. Erst durch unseren Eingriff durch Bau des Einserkanals haben wir das Schilfwachstum stark gefördert. Der Eintrag von Dünger war ebenso mitverantwortlich.
Die örtlichen Schilfschneider haben sehr wertvolle Erfahrungswerte im Bewirtschaften von Schilfflächen. Aber für Bauschilf benötigt man jedes Jahr gut nachwachsendes Schilf, ein Reduzieren der Rhizome war nie im Fokus.
Es sollte jetzt dringend die Vorarbeit geleistet werden, um Herbst 2023 effizient Schilf zu reduzieren. Eine grobe Schätzung basierend auf ET Raten diverser Schilf-Verdunstungsstudien: 5000ha weniger Schilf könnten ca 10cm weniger Verdunstung bewirken.
Örtliche Schilfschneider, See-GesmbH und eventuell landwirtschaftliche -Lohnunternehmen könnten diese Aufgabe gemeinsam leisten.
Wichtige Punkte müssen geklärt werden:
– Finanzierung: das Altschilf hat wenig Materialwert, die Reduktion von Schilf muss als Landschaftspflege unterstützt werden.
– bestehende Schilfnutzungs Pachtverträge.
– die technische Umsetzbarkeit bestimmt vorrangig die angewandten Methoden. Erfahrene Schilfschneider können hier eine sehr wertvolle Ressource sein.
Wichtig ist:
– Kapillare müssen getrennt werden um Transpiration und Interzeption zu stoppen (schneiden, brennen etc)
– Material soweit geht aus dem See entfernen, was aber schwierig ist in weit entfernten Bereichen
– Eine Teilmenge des geschnittenen Schilfes als Bodenabdeckung könnte die Austrocknung des Bodens verringern.
– Rhizome müssen zurückgedrängt, d.h bewusst geschädigt werden. Das könnte für heiße Diskussionen sorgen, denn bis dato wurde Schilf wie eine vom Aussterben bedrohte Pflanze behandelt.
Ein konkretes Beispiel, wie man das umsetzten könnte: (hier hoffen wir auf die Kreativität der erfahrenen Schilfschneider)
z.B.: Schilfschneidemaschine, die Schilf schneidet, aber als Bodenabdeckung wieder fallen lässt. Wenn ein Abtransport möglich ist, sollte soviel Material wie möglich entfernt und verwertet werden.
Gleichzeitig wird eine z.B eine Scheibenegge, Bodenfräse oder Pistenraupen-Schneefräse (Diskussionsgrundlage) nachgezogen.
Bekannt ist, dass Schilf folgendes nicht gerne mag:
— Schneiden unter der Wasserfläche
– mechanische Beanspruchung der Rhizome, zB zu hohe Bodenpressung.
Weitere Möglichkeit zum Zurückdrängen der Rhizome: Ein spezielles Amphibienfahrzeugs mit Gewindeantrieb welches am See verfügbar wäre würde rein durch sein Antriebsprinzip die Rhizome ausscheren.
Auch Beweidung durch Rinder, die Druckbelastung der Hufe auf die Rhizome kann Schilf zurückdrängen. Für die enorme Fläche bräuchte man aber unvorstellbare Herden, das ist nicht praktikabel. Allerdings könnte man mit einer speziellen Stachelwalze die Druckbelastung der Hufe nachbilden.
Derzeit werden Bemühungen gemacht um Brandrodungen des Schilfes zuzulassen. Durch den Abbrand würde das biologische Material über die Luft entsorgt, der Abtransport würde entfallen. Zusätzlich müsste jedoch das Rhizomgeflecht maschinell gefräst (o.ä.) werden, um das Nachwachsen zu verringern.
Evaluierung der Maßnahmen:
Alle Maßnahmen sollten per Fahrtenbuch und GPS Logger protokolliert werden. Anhand dieser Protokolle kann man in den Jahren danach die Geschwindigkeit des Nachwachsens und die Bewuchsdichte und Höhe erfassen. Das gibt Aufschluss über die Wirksamkeit der einzelnen Methoden. Verdunstungs-studien könnten begleitend durchgeführt werden und wertvolle Daten über die Wirksamkeit einzelner Maßnahmen liefern.
Weitere Vorteile, den Wasserhaushalt über Schilf Reduktion zu verbessern:
Diese Lösung ist reversibel: Schilf ist sehr robust, es wächst auch unter widrigen Bedingungen irgendwann wieder nach.
(Langsam nachwachsende) Jungschilfflächen anstatt ausgedehntem Altschilf sind eine Bereicherung für die Vogelwelt.
Wir sollten auch an die Zeiten denken, in denen vielleicht wieder sehr viel Wasser im See sein könnte. Auch wenn das aus heutiger Sicht in weiter Ferne zu sein scheint. Ein Ablassen über den Einserkanal würde weiter Salze aus dem See schwemmen, das sollte vermieden werden. Wenn man jedoch die Mechanismen über die Verdunstung des Schilfs besser kennt, könnte man das Schilf dann auch zum Verdunsten von zuviel Wasser verwenden. Dadurch blieben die Salze erhalten, ein unschätzbarer Vorteil.